Donnerstag, 27. Oktober 2011

Leseprobe “In der Bibliothek”

 
~ In der Bibliothek ~



Und wieder einmal sitze ich hier über meinen Büchern und pauke. Ich habe mich für eine Fortbildung an der Abendschule entschieden und verbringe deshalb jetzt viel Zeit in der Bibliothek.
Keine Zeit mehr für ein Privatleben. Aber das ist sowieso egal, da ich im Moment Single bin. Erst vor Kurzem habe ich mich von meinem Freund getrennt. Wir waren viel zu verschieden. Nur im Bett hat es gut zwischen uns funktioniert. Aber das allein reicht leider nicht, um ein Leben miteinander zu verbringen. Meine Gedanken schweifen mal wieder ab. Ich denke an meinen Ex und an den tollen Sex mit ihm. Tief hole ich Luft. Sex? Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Schon so lange hatte ich keinen Sex mehr.
Ich schüttel meinen Kopf, um diese Gedanken wieder zu vertreiben. Irgendwie kann ich mich heute nicht konzentrieren. Aber ich muss unbedingt an meiner Hausarbeit schreiben, da der Abgabetermin immer näher rückt.

Und dieser Typ da drüben mustert mich auch schon ‘ne ganze Weile. Wie soll ich mich denn da konzentrieren, wenn er mich mit seinem Blick förmlich durchbohrt? Was denkt der sich eigentlich?
‘Wo ist denn mein Buch…?’ Mist - ich hab’s vergessen. Also mach ich mich wieder auf die Suche durch die Regale, um mir das passende Buch rauszusuchen.
Die Bibliothek ist ziemlich groß und das Buch, das ich brauche, befindet sich natürlich in einer der hintersten Abteilungen. Als mein Blick durch die Regale streift, bemerke ich ein Augenpaar. Da scheint noch Jemand hier hinten ein Buch zu suchen. Na wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch gleich noch ein anderes Buch raussuchen. Wieder bemerke ich einen suchenden Blick. Das gleiche Augenpaar!
Ich schrecke zusammen. Diese Augen suchen gar kein Buch. Sie beobachten mich zwischen den Bücherreihen hindurch. Es ist der Typ, der mich vorhin schon mit seinem Blick durchbohrt hat.
Mir wird unheimlich hier hinten, so ganz allein mit ihm. Ich gebe die Suche nach dem zweiten Buch auf und beeile mich, schnell wieder nach vorn zu kommen, wo noch andere Leute sind. Aber was ist das?
Nur noch zwei Personen sitzen hier. Und ich muss unbedingt noch etwas tun. Ein flaues Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Der Typ ist mir unheimlich.
Schnell pack ich meine Sachen zusammen und verlasse im Eiltempo die Bibliothek…

~ ~ ~

Mit schnellen Schritten eile ich nach Hause. Immer wieder schaue ich mich um, aber niemand folgt mir.
Zuhause angekommen verschließe ich sorgfältig die Tür. Ich schaue noch einmal aus dem Fenster - niemand zu sehen - und ziehe die Vorhänge zu. Dann lass ich mir ein Bad ein.
Als ich in der Badewanne liege, beruhige ich mich endlich wieder und die ganze Anspannung fällt von mir ab. Noch einmal denke ich über die Situation nach und muss dann über mich selber lachen. Ich ärger mich über mich selbst und schüttel den Kopf. So was dummes…

Er hat nichts gesagt und hat nichts getan. Er ist mir auch nicht gefolgt. Warum ist er mir dann so unheimlich? Er hat mich heimlich beobachtet, das hat mir Angst gemacht. Ich lass alles noch einmal in meinem Kopf Revue passieren. Eigentlich sind seine Augen sehr schön und klar. Nichts verrücktes darin zu erkennen. Er hat kantige männliche Züge… ein hübsches Gesicht… sehr interessant. Noch einmal schüttel ich den Kopf über mich selber. So etwas ist mir ja noch nie passiert. Dann denke ich wieder an meine Hausarbeit und an die wenige Zeit, die mir noch bleibt, um sie fertig zu stellen. Ich schau auf die Uhr. Die Bibliothek hat noch zwei Stunden geöffnet.
Schnell steige ich aus der Badewanne, trockne mich ab und ziehe mich an. Noch schnell meine Sachen geschnappt und los geht’s, zurück zur Bibliothek.

~ ~ ~

Oh nein… das Buch… ich hab’s in der Eile vergessen einzupacken. Also mach ich mich wieder auf den Weg durch die Regale, um das Buch zu holen. Plötzlich fühle ich einen Blick auf mir ruhen.
Ich schau mich um… oh nein… diese Augen, da sind sie wieder!

Er kommt geradewegs auf mich zu. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Meine Hände sind eiskalt.
“Bitte verzeih” sagt er dann ganz ruhig, mit einer rauchig heiseren Stimme. “Ich wollte Dir vorhin keine Angst machen” Ich fühle, wie mir das Blut in die Wangen schießt. Verlegen schaue ich ihn an.
Seine Stimme jagt mir eine prickelnde Gänsehaut über meinen Körper. Kein Wort kriege ich heraus.
Seine Augen scheinen mich zu hypnotisieren und ziehen mich völlig in seinen Bann. Er hebt seine Hand und streichelt mit dem Handrücken sanft über meine Wange. Völlig bewegungsunfähig stehe ich da. Mein Herz rast in meiner Brust.

~ ~ ~

Wie magisch angezogen kommen sich unsere Gesichter immer näher. Unsere Lippen finden sich und verschmelzen zu einem zärtlichen Kuss. Das Feuer beginnt in mir zu lodern.
Getrieben von der Leidenschaft wird der Kuss immer drängender und wir beginnen, uns heftig aneinander zu reiben. Ein leises Stöhnen dringt aus meinem Mund. Er zieht mich eng an sich und flüstert kaum hörbar in mein Ohr: “Du musst ganz leise sein! Vergiss nicht, wir sind in einer Bibliothek.” Da wird mir erst wieder bewusst, dass wir ja noch zwischen den Regalen der Bibliothek stehen.
Etwas verunsichert schaue ich mich um. Niemand zu sehen. Ich schaue ihn wieder an und seine Augen scheinen zu fragen: “Willst Du es wirklich? Hier?”

~ ~ ~

Ob sie es wirklich will und was sonst noch in der Bibliothek passiert, erfahrt ihr hier:
 "Erdbeeren im Winter" (in Bearbeitung)

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1 Kommentar:

  1. Anna sagt:
    Wenn es auch nicht der Ort wäre, den ich wählen würde...
    Ich mag die Art, wie du Deine Geschichten schreibst sehr Conny!!!

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